1060 Wien
„Nicht auf das Atmen vergessen, Mihaela.“ Ein Satz den ich während meiner Bodytalk-Sessions immer wieder höre. Es stimmt, ich bin eine schlechte Atmerin. Wenn der Körper den Atmungsprozess nicht automatisch einleiten würde, würde ich glatt darauf vergessen.
Wir nehmen täglich 20 bis 30 Tausend Atemzüge und sind uns dessen garnicht so richtig bewusst. Es passiert ganz beiläufig ohne großartiges Zutun unsererseits. Und genau hier liegt die Krux an der Sache. Denn die Unachtsamkeit, mit welcher wir unserer Atmung begegnen, fördert schlechte Atemgewohnheiten. Resultat dessen wären beispielsweise flache, kurze Atemzüge – Antreiber für Stress und Angstzustände.
Whenever I feel blue, I start breathing again. (L. Frank Baum)
Im Alltag sind wir etwas taub für die markanten Auswirkungen einer aus dem Lot geratenen Atmung auf unseren Körper. Umso intensiver spüren wir diese in bestimmten Ausnahmesituationen: Trauer, Panikattacken, Körperliche Verausgabung, etc. In solchen Momenten bleibt uns schlicht die Luft weg. Im Streben, die unangenehmen Gefühlswogen rasch zu besänftigen, versuchen wir instinktiv Luft in die eigene Lunge zu pumpen. Sobald sich die Wogen jedoch wieder geglättet haben, kommt das Vergessen und wir fallen erneut in alte Gewohnheiten.
Anzeichen für schlechte Atemgewohnheiten:
- Atmung ist flach, Bauch und Brustkorb bewegt sich nur wenig beim Einatmen
- Atmung gerät häufig aus dem Takt
- Atmung ist zu schnell
- Man gerät leicht außer Atem
Um unsere Atemqualität bzw. unsere schlechten Atemgewohnheiten nachhaltig zu verbessern, ist – wie so oft im Leben – Wille und Disziplin nötig. Als Übungswerkzeug kann uns Yoga dienen. Die Nützlichkeit der kontrollierten Atmung wird im Yoga seit Anbeginn seiner Entstehung gepriesen und nimmt dementsprechend in der Yoga-Praxis einen hohen Stellenwert ein. Das Wort „Atem“ ist im alten Sanskrit dasselbe wie für „Leben“: Prana. Ein Hinweis darauf, wie elementar das Atmen für das körperliche Wohlbefinden ist. Denn richtiges Atmen lädt unser Blut mit Sauerstoff auf, das wiederum unsere 100 Billionen Körperzellen ernährt.
Die yogische Atmung geht jedenfalls durch die Nase. Mit dieser wird sowohl ein- als auch ausgeatmet. Dafür gibt es drei gute Gründe. Erstens wird so die Atmung verlangsamt, zweitens wird die Luft beim Durchgang durch die Nase gefiltert und erwärmt. Und drittens soll die Nasenatmung das Energiezentrum (Sanskrit: Ajna-Cakra) stimulieren. Dieses befindet sich zwischen den Augenbrauen. An dieser Stelle treffen sich zwei bedeutende Energiekanäle: Ida (Mondenergie – kühlend) und Pingala (Sonnenenergie – wärmend). Im Hatha-Yoga („Ha“ = Sonne, „Tha“ = Mond) wird stets ein Ausgleich von Sonne und Mond angestrebt.
Vorteile yogischer Atmung:
- Verbesserung des Stoffwechsels
- Aktivierung der Muskel > Förderung einer besseren Körperhaltung
- Lungengewebe bleibt elastisch > Mehr Sauerstoff zur Ernährung der Körperzellen
- Atembewegungen massieren und aktivieren innere Organe
- Stärkung des Immunsystems
- Beseitigung von Angstzuständen und Verspannungen
Ein Großteil der Menschen bedient sich einer sehr flachen Brust- oder Bauchatmung. Im Yoga dagegen werden tiefe Atemzüge geübt, die Bauch- und Brustraum erweitern. Dabei wird die Wirbelsäule bewegt und sämtliche Muskel und Organe des Atmungsapparats aktiviert. Dem Übenden kann währenddessen durchaus schwindelig werden. Das liegt daran, dass beim yogischen Atmen tiefer als üblich geatmet und dadurch viel mehr Sauerstoff in den Körper gelangt.
Nachstehend stelle ich euch ein paar einfach durchzuführende Atemübungen aus dem Yoga vor und gehe ebenso kurz auf das Thema „Atmung und Bewegung“ ein.
Bauchatmung
Die Bauchatmung ist eine effektive und zugleich einfache Übung, um das Bewusstsein für den eigenen Atmungsprozess zu stärken und diesen zu optimieren.
- Mit angewinkelten Knien auf den Boden legen. Die Füße stehen eine Hüftbreite weit auseinander. Eine Hand kommt auf die Brust, die andere auf den Bauch. Die Hände dienen hierbei lediglich als Bewegungsmelder. Bei Spannungen im Nackenbereich ein Kissen oder eine gefaltete Decke unter den Kopf schieben.
- Langsam durch die Nase einatmen, die Bauchdecke hebt sich.
- Langsam durch die Nase ausatmen, die Bauchdecke senkt sich.
- Übung einige Male wiederholen.
Bauch-Brust-Atmung
Die Bauch-Brust-Atmung füllt den Körper mit reichlich Sauerstoff und Energie. Diese Übung kann ebenso problemlos sitzend durchgeführt werden.
- Mit angewinkelten Knien auf den Boden legen. Die Füße stehen eine Hüftbreite weit auseinander. Die Arme liegen entweder bequem neben dem Körper, oder sie dienen wie bei der vorhergegangen Übung als Bewegungsmelder. Bei Spannungen im Nackenbereich ein Kissen oder eine gefaltete Decke unter den Kopf schieben.
- Langsam Einatmen: In einer fließenden Bewegung zuerst den Bauchraum, dann den unteren Rippenbogen und zuletzt den Brustkorb mit Luft füllen.
- Langsam Ausatmen: Zuerst Brust- und Schultermuskeln entspannen und zuletzt die Bauchdecke senken.
Brust-Bauch-Atmung
Der Mensch verbringt heutzutage viel Zeit im Sitzen und nimmt zudem viel zu oft eine nach vorne gebeugte Haltung ein. Die Brust-Bauch-Atmung ist ideal, um die Wirbelsäule zu begradigen und so wieder einen Ausgleich für die gebeugte Sitzhaltung zu schaffen.
- Mit angewinkelten Knien auf den Boden legen. Die Füße stehen eine Hüftbreite weit auseinander. Die Arme liegen entweder bequem neben dem Körper, oder sie dienen wie bei der vorhergegangen Übung als Bewegungsmelder. Bei Spannungen im Nackenbereich ein Kissen oder eine gefaltete Decke unter den Kopf schieben.
- Langsam Einatmen: In einer fließenden Bewegung zuerst den Brustraum, dann den unteren Rippenbogen und zuletzt den Bauchraum mit Luft füllen.
- Langsam Ausatmen: Zuerst die Bauchdecke und dann den Brustkorb senken.
Atmung und Bewegung
Im Hatha-Yoga bilden Atmung und Bewegung eine Einheit. Auch hat die Atmung einen großen Einfluss auf die Wirksamkeit der auszuführenden Asanas. Für Yoga-Anfänger aber ebenso für Yoga-Erfahrene ist es nicht immer einfach, die Atmung mit dem Bewegungszyklus in Einklang zu bringen. Wenn ich mal aus dem Takt gerate, so hilft es mir, bei einer Asana für ein, zwei Atemzüge zu verweilen, bevor ich in die nächste Stellung gehe. Und wenn mir beim Yoga-Flow der Atem wegbleibt, so verlangsame ich einfach meine Bewegungen. Wie sehen eure Tipps aus?
Im Yoga orientiert sich die Bewegung jedenfalls am natürlichen Atemfluss:
In meinen kommenden Blog-Posts werde ich verstärkt auf das Thema Pranayama eingehen und einige der wichtigsten yogischen Atemübungen vorstellen.
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